Anforderungen formulieren – Das Wurstbrot

Jeder Fachverantwortliche, der einen Bedarf hat, hat auch meist ein Bild der Lösung vor Augen. Dieses Bild ist für Ihn fokussiert und klar. Es ist aber schwer möglich, dieses Bild in Sprache zu transformieren. Wenn dann fehlende Zeit oder Gelegenheit dazukommen, wird lediglich eine Erwartungshaltung, eine Idee ungefähr formuliert: „Sie wissen, doch, was wir brauchen“

Von der Idee zur Anforderung

Anforderungen (Requirements) entstehen üblicherweise aus dem „Ungefähren“. Dies kann eine Idee oder eine Erwartung sein. Danach entwickeln sie sich ins „Genaue“, nämlich zu einem oder mehreren Requirements.

Um die vollständige Durchdringung der Anforderungen zu erreichen, wird gleichzeitig vom „Groben“ ins „Feine“ dekliniert. Dabei entstehen weitere, genauer ergänzende Requirements.

WICHTIG: Während des Prozesses wird ein gemeinsames Verständnis der Anforderungen zwischen dem Anforderer (Kunde) und dem Erbringer der Umsetzung (Dienstleister) erzeugt.

Vom „Ungefähren ins Genaue“ drückt aus, dass zunächst die Themenkreise im Auftrag identifiziert werden, um sie dann in eine Bearbeitungs- Reihenfolge zu bringen.

Vom „Groben ins Feine“ meint, dass die Detailtiefe der Themenkreise erst zu dem Zeitpunkt erhöht wird, wenn es im Ablauf des Auftrages sinnvoll erscheint.

Die Kombination der beiden Vorgehensweisen ergibt die notwendige Durchdringung der Themen für eine Anforderung (vollständige Themenabdeckung in der notwendigen Detailtiefe) zur richtigen Zeit. Dieser Weg wird Qualifikation genannt. Um diesen Weg zu beschreiten, werden verschiedene Methoden, je nach Situation eingesetzt.

  • Stakeholder Interview zu „Ideen und Erwartungen“
  • Ziele und Rahmenbedingungen
  • Business Requirements Aufnahme und Beschreibung
  • Business Requirements Validierung
  • Erzeugung von Functional / nonfunctional Requirements aus den Business Requirements
  • Business Use Case
  • System Modellierung

Zur Erreichung einer konsistenten Geschäftsanfoderungs- Erfassung und Beschreibung, also der vollständigen Qualifikation der Anforderungen sind in der Regel mehrere Iterationen notwendig.

Beispiel

Ich möchte an einem einfachen Beispiel darstellen, wie man aus der Idee und der Erwartung zu technisch umsetzbaren Anforderungen kommt. Im Beispiel sind zwei Personenrollen involviert:

  • Der Service- Manager (oder Requirements- Engineer, oder Projekt- Manager) nimmt die Anforderungen entgegen und qualifiziert sie)
  • Der Anforderer (bei Person oder Gruppe, die berechtigt ist Anforderungen an einen Service oder ein Projekt zu stellen)

Das Business-Requirement des Anforderers ist wie folgt formuliert:

„Ich möchte ein großes, leckeres Wurstbrot“

Daraus ergeben sich für den Service Manager folgende Fragen an den Anforderer:

  • Wie groß ist Dein Hunger?
  • Welches Brot bevorzugst Du?
  • Welche Wurst möchtest Du haben?
  • Soll auch ein Getränk angeboten werden?
  • Wenn Ja, welches Getränk?

Daraus ergeben sich folgende Antworten des Anforderers:

  • Ich habe großen Hunger
  • Ein dunkles Vollkornbrot, oder ein Roggenmischbrot
  • Salami oder Cervelat- Wurst
  • Ja
  • Ein kaltes Getränk.

Der Service Manager formuliert nun die Anforderungen an das Wurstbrot in einer ersten Version

  • Das Brot des Wurstbrotes MUSS = vorhanden sein.
  • Das Brot des Wurstbrotes KANN = Vollkornbrot sein
  • Das Brot des Wurstbrotes KANN = Roggenmischbrot sein
  • Das Brot des Wurstbrotes MUSS <> Weizenbrot sein
  • Die Brotscheibenmenge des Wurstbrotes MUSS = 2 sein
  • Die Dicke der Brotschreiben MUSS < 1,5 cm sein
  • Die Dicke der Brotschreiben MUSS > 0,5 cm sein
  • Die Wurst des Wurstbrotes MUSS = vorhanden sein
  • Die Wurst des Wurstbrotes KANN = Salami sein
  • Die Wurst des Wurstbrotes KANN = Cervelat Wurst sein
  • Die Menge der Wurstscheiben MUSS > 2 sein
  • Die Menge der Wurstscheiben MUSS < 5 sein
  • usw.

Dazu kommen nicht funktionale Anforderungen aus dem Betrieb, der Sicherheit und der Kalkulation……

  • Alle Speisen müssen auf einem geeigneten Teller gereicht werden.
  • Alle Getränke müssen mit einem Glas oder Tasse oder Becher gereicht werden.
  • Das Geschirr muss sauber und hygienisch sein, Es darf keine scharfen Kanten, Absplitterungen oder Risse aufweisen.
  • Die Materialkosten des Wurstbrotes dürfen 2,00 Euro nicht übersteigen.

………..die in weitere technische Anforderungen münden.

  • Die Darreichungsform des Wurstbrotes MUSS = Teller sein.
  • Der Teller des Wurstbrotes MUSS = sauber sein.
  • Der Teller des Wurstbrotes MUSS <> Absplitterungen sein.
  • Der Teller des Wurstbrotes MUSS <> Risse sein
  • Der Teller des Wurstbrotes MUSS <> scharfe Kanten sein.
  • …………….

Am Ende ergibt sich ein scharfes Bild über die Ziele, die durch das Business Requirement ausgedrückt werden sollte. Der Erfolg des Wurstbrotes wird messbar

FAZIT

Dieses Beispiel ist nicht vollständig. Es zeigt aber auf, welche Detailtiefe erreicht werden muss, um für Anforderer und Auftragnehmer verlässliche, weil messbare Ziele zu formulieren. Requirements Engineering bedeutet viel Arbeit im Vorfeld, ist aber am Ende für den Erfolg einer Maßnahme unerlässlich.

POSTSCRIPTUM

Gerne bedanke ich mich bei Chris Rupp, die mit Ihren Sophisten wichtige Grundlagen zum Requirements- Management und Requirements- Engineering beschrieben hat. Vergl. Chris Rupp – Wikipedia

Mein Dank gilt auch Jochen Malmsheimer, der mit „Das Wurstbrot“ für mich für einen wichtigen Beitrag im deutschen Kabarett verantwortlich zeichnet. Er hat mich an dieser Stelle inspiriert. Er möge mir verzeihen. Jochen Malmsheimer – Komik, alle Kassen!

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